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Runder Tisch zu "Kultureller Bildung"

Thema: Rede

Montag, 20. März 2023

„Kulturelle Angebote sollen für alle da sein – für Menschen jeden Alters, mit und ohne Einwanderungsgeschichte, mit oder ohne Einschränkungen, in ländlichen Räumen und in Metropolen“, erklärte Kulturstaatsministerin Roth. Um das zu erreichen, müssten die Einrichtungen noch stärker als bisher die Diversität der heutigen Gesellschaft im Blick haben und ihre Potenziale kreativ aktivieren.

Wenn es um Bildung in unserem Land geht, sind die Nachrichten selten vielversprechend. Tatsächlich versprechen sie rein gar nichts, sie reden vielmehr vom Mangel, vom Lehrermangel, von fehlender Infrastruktur, von Rechen-, Lese- und Schreibschwächen!

Was ich in diesem Zusammenhang dagegen selten höre, ist der Begriff kulturelle Bildung. Der Bildungsbegriff wird in den einschlägigen Debatten immer eng geführt. Von kultureller Bildung ist selten die Rede. Das ist schade, denn kulturelle Bildung ist nicht nur von herausragender Bedeutung für uns als Gesellschaft, für unsere Zukunft, beide, Kultur und Gesellschaft, gehören zusammen, sie bedingen einander.

Kultur, das Wissen um die eigene ebenso wie um andere Kulturen, ist wichtig für die individuelle Persönlichkeitsentfaltung, für Kreativität, für das Selbstverständnis und die Teilhabe an einer Gesellschaft. Sie ist in einer Einwanderungsgesellschaft wie unserer damit auch ein Schlüsselfaktor der Inklusion, der Integration, des Dazugehörens, des Zusammenhalts, einer Teilhabegerechtigkeit.

Unsere Einrichtungen können, jede auf ihre Weise, zur Verständigung darüber beitragen, was für ein Land wir sind und was für ein Land wir sein wollen: in der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte und in der Vermittlung dessen, was uns ausmacht, in der kulturellen Bildung und in der Förderung einer künstlerischen Avantgarde. Nicht nur die Kunst hat Einfluss darauf, ob und wie sich kulturelle Vielfalt herausbildet und wahrgenommen wird, sondern eben auch die Rahmenbedingungen und wie sie beschaffen sind für die kulturelle Bildung. Sie nehmen Einfluss auf unsere Entwicklung und damit auch darauf, wie unsere Zukunft aussehen kann.

Aber diese Erkenntnisse allein werden der kulturellen Bildung kaum mehr Bedeutung verleihen. Natürlich geht es auch darum, dass wir Inspiration bekommen, dass wir mobilisiert und konfrontiert werden, dass wir erleben können. Und was Kultur bedeutet, das erleben wir in den Museen, Theatern, Kinos und Konzertsälen.

Wie man Menschen zu ihrem Glück verhilft, indem man sie ins Theater bringt, wusste nur der große Karl Valentin: mit der „Allgemeinen Theaterbesuchspflicht“, kurz ATBPF. Leere Theater? Woher kommt das? „Nur durch das Ausbleiben des Publikums.“ Und wer ist schuld daran? Selbstverständlich – der Staat, der es versäumt hat, einen Theaterzwang einzuführen. Schließlich würde auch kein Schüler die Schule besuchen, wenn er nicht müsste.

Im Ernst: Karl Valentin hat recht, wenn er behauptet: „Der gute Wille und die Pflicht bringen alles zustande.“ Nicht nur in Valentins großartigen „Zwangsvorstellungen“, aus denen ich hier zitiert habe. Allerdings besteht die Pflicht des Staates und seiner Kulturpolitik nicht darin, seine Bürger und Bürgerinnen zum Theaterbesuch zu verdonnern, sondern darin, attraktive Angebote zu machen und die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Menschen können zu Kultur nicht gezwungen werden, sie müssen für Kultur begeistert werden. Sie müssen freiwillig und gerne, ins Theater und in die Museen gehen. Sie müssen diese Orte, als offene Orte verstehen. Nur so können Kunst und Kultur ihre enormen Kräfte entfalten. Denn: Wie kann der Mensch wissen, was er wollen soll, wenn er gar nicht kennt, was er mögen würde, um Karl Valentin nach dem Mund zu reden.

Und das ist die Begründung für den Kulturpass, den wir jetzt einführen wollen und der mit Ihrer Hilfe – da bin ich mir sicher - sehr erfolgreich werden wird. Mit ihm werden wir genau versuchen, die Kultur-Infrastruktur verstärkt für junge Menschen zu öffnen. Sie einzuladen, sich auf die Kultur einzulassen.

Und: kulturelle Angebote sollen für alle da sein – für Menschen jeden Alters, mit und ohne Einwanderungsgeschichte, mit oder ohne Einschränkungen, in ländlichen Räumen und in Metropolen. Und natürlich muss es um die Menschen gehen, die bisher nur selten oder auch gar keinen Zugang zu Kultur haben, wenn wir „Kultur für alle“, wenn wir Kultur „mit allen“ und „von allen“ ermöglichen wollen. Die Folgen der Corona-Pandemie sind auch hier spürbar. Die Menschen haben sich zurückgezogen. Ziel ist, dass sie wieder raus gehen und am kulturellen Leben teilhaben.

Um das zu erreichen, müssen die Einrichtungen noch stärker als bisher die Diversität der heutigen Gesellschaft im Blick haben, müssen sie die Potenziale der diversen Gesellschaft abrufen, kreativ aktivieren. Das gilt für die Gremien- und Personalbesetzung ebenso wie für die Programmgestaltung, die Ansprache des Publikums oder die Zugänglichkeit der Angebote. Wir wollen mehr Teilhabe für jene, die in der Kultur noch unterrepräsentiert sind und zwar auf allen Ebenen der Einrichtungen: Publikum, Personal, Programm und Partner und Partnerinnen.

Zugangshindernisse bestehen dabei nicht nur aus sichtbaren, physischen Barrieren. Oft sind es auch immaterielle Schwellen, die Menschen abschrecken, Kulturangebote wahrzunehmen: Ängste, nicht genug zu wissen oder zu verstehen, andere Seh- und Freizeitgewohnheiten, Sorge vor fremden Umgebungen, keine Information über bestehende Angebote. Damit wir möglichst alle Menschen erreichen, müssen wir uns zutrauen, auch neue Wege zu gehen und zeitgemäße, kreative und progressive Angebote zu konzipieren.

Wir fangen dabei nicht bei null an, das ist das Gute. Es gibt bereits unglaublich viele Initiativen und Förderprogramme wie „Kulturelle Vermittlung und Integration“, die solche zukunftsweisenden Projekte ermöglichen - beispielsweise die kulturelle Bildung für junge Menschen, die Inklusion von Menschen mit Behinderung, die Integration und die interkulturelle Öffnung. Ich will Sie ermutigen, eigene Ideen zu entwickeln und Anträge bei uns einzureichen. In diesem und nächstem Jahr stehen in dem genannten Förderprogramm noch bis zu 1,8 Mio. Euro bereit. Natürlich gibt es bei Ihnen in den BKM-geförderten Einrichtungen bereits zahlreiche Leuchtturmprojekte kultureller Bildung, aber wir sollten nicht aufhören, innovative Konzepte zu entwickeln. Ich bin sehr gespannt darauf, heute noch viel mehr darüber zu erfahren und sicherlich entstehen hier auch neue Ideen, werden neue Vorhaben initiiert. Darüber würde ich mich sehr freuen! Vielen Dank an Frau Kropff und ihr Team für die Vorbereitung und die Gastfreundschaft.

Unser Zusammenkommen soll aber auch dazu dienen, Ihnen die im Koalitionsvertrag angekündigte Studie „Kulturelle Bildung“ vorzustellen. Sie wird in den Jahren 2023 und 2024 von der „Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW“ unter Leitung von Frau Prof. Dr. Susanne Keuchel durchgeführt. Liebe Frau Prof. Dr. Keuchel, zunächst vielen Dank an Sie, dass Sie die Studie durchführen. Ihr breiter Erfahrungsschatz aus Theorie und Praxis wird dem Vorhaben sicher guttun. Sie werden ja gleich selbst mehr zur Studie berichten, deshalb von mir nur ein paar Gedanken dazu, warum es diese Studie braucht und inwiefern wir alle davon profitieren können.

Bei der Studie „Kulturelle Bildung“ geht es darum, das Feld der kulturellen Bildung als eine zentrale Aufgabe der Bundeskultureinrichtungen und der Gedenkstätten neu zu vermessen. Die Studie soll ausgehend vom Status quo eine Antwort auf die Frage geben, was den Erfolg kultureller Bildung ausmacht und wie sie gestärkt werden kann. Auf Grundlage der Ergebnisse sollen Empfehlungen ausgesprochen werden, wie der Bund seine Fördermaßnahmen zukünftig strategisch besser gestalten kann und wie die kulturelle Bildungsarbeit der BKM-geförderten Einrichtungen verbessert werden kann. Kurz: Die Studie soll uns einen Kompass für die künftige Ausrichtung der Bundeskulturpolitik in Sachen kultureller Bildung geben.

Dazu braucht es Ihren Beitrag. Ich lade Sie herzlich ein, sich mit Ihren Erfahrungen einzubringen in der Studie „Kulturelle Bildung“. Nutzen Sie bitte alle Möglichkeiten. Sie sind die Expertinnen und Experten Ihrer eigenen Arbeit, Sie sind die Pfadfinder und Pfadfinderinnen immer auf der Suche nach neuen Wegen. Wir sind auf Ihre Expertise angewiesen. Vielen Dank – auch dafür, dass Sie heute in so überwältigender Anzahl gekommen sind!

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