Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat 2008 bis 2022 insgesamt rund 88 Millionen Euro für die Provenienzforschung zu Kulturgutverlusten zur Verfügung gestellt. Für 2023 stehen rund 13 Millionen Euro zur Verfügung. Der Schwerpunkt dieses Engagements lag und liegt im Bereich der Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubes. In betroffenen Kulturgut bewahrenden Einrichtungen des Bundes wurden zusätzliche Stellen für die Provenienzforschung geschaffen.
Die Provenienzforschung widmet sich der Herkunft von Kunstwerken und anderen Kulturgütern, insbesondere den erfolgten Eigentums- und Besitzwechseln. Ziel ist es, mögliches NS-Raubgut zu identifizieren, die Verlustumstände aufzuklären und so gegebenenfalls eine Grundlage für gerechte und faire Lösungen im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu erhalten.
Ein gewachsenes Problembewusstsein, eine gesteigerte Sensibilität im Umgang mit den Beständen und der Sammlungsgeschichte Kulturgut bewahrender Einrichtungen sowie nicht zuletzt das große Engagement der Provenienzforscherinnen und Provenienzforscher bilden ein tragfähiges Fundament, um der umfangreichen Aufgabe gerecht zu werden. In Deutschland wurden so bereits über 30.000 Kunstwerke, Bücher und Archivalien als NS-Raubgut identifiziert und restituiert. Da Restitutionen und andere gerechte und faire Lösungen unter den Beteiligten erfolgen und nicht in allen Fällen öffentlich bekannt werden, ist die tatsächliche Zahl der Restitutionen nicht genau festzustellen.
Auch das 2016 in Kraft getretene Kulturgutschutzgesetz trägt der Umsetzung der Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsame Erklärung mit verschiedenen Regelungen Rechnung. So stehen die Mechanismen des Schutzes von Kulturgut vor Abwanderung in das Ausland ausdrücklich nicht dem Finden von gerechten und fairen Lösungen entgegen. Für das gewerbliche Inverkehrbringen eines mit dem Verdacht eines NS-verfolgungsbedingten Entzugs belasteten Werks wurden erhöhte Sorgfaltspflichten eingeführt.
Provenienzforschung in Wissenschaft und Lehre
Die Verankerung der Provenienzforschung in Wissenschaft und Lehre dient der Schaffung von Grundlagenwissen und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Es ist eine notwendige Ergänzung zur finanziellen Förderung von Provenienzforschung. Die Einrichtung von spezialisierten Professuren und Juniorprofessuren an den Universitäten Bonn, München, Berlin, Würzburg und Lüneburg ist daher eine nachhaltige Stärkung der Provenienzforschung.
Zudem gibt es an verschiedenen Standorten in Deutschland Weiterbildungsprogramme. Sie richten sich vor allem an Beschäftigte in Museen, Sammlungen und Museumsverbänden, aber auch an freiberufliche Provenienzforscherinnen und Provenienzforscher sowie Beschäftigte im Kunsthandel.
Aktuell geförderte Projekte
Provenienzforschung und Restitution von NS-Raubgut stehen im Mittelpunkt mehrerer Projekte, die von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert werden.
Das Forschungsprojekt "Restatement of Restitution Rules" an der Universität Bonn befasst sich mit der internationalen Praxis bei Restitutionen nationalsozialistischer Raubkunst. Ziel des von BKM geförderten Projekts ist es, durch eine rechtsvergleichende Bestandsaufnahme und Analyse der Restitutionspraxis in Österreich, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden die abstrakten Entscheidungsregeln und die ihnen zugrundeliegenden Gerechtigkeitserwägungen festzustellen. Die geplante Abhandlung ist als Vorschlag und Argumentationshilfe bei Restitutionsentscheidungen sowie bei der Erarbeitung von Empfehlungen gedacht. Das Projekt soll 2024 abgeschlossen werden.
Seit 2019 fördert BKM das Pilotprojekt „Elektronische Auswertung der personenbezogenen Akten der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg (1933 bis 1945) zur Ermittlung von Kunstbesitz und zur Lokalisierung von NS-Raubkunst - Wissenschaftliche Erschließung einer zu digitalisierenden Massenquelle im Brandenburgischen Landeshauptarchiv, Potsdam (OFP-Projekt)“. Im Zuge des OFP-Projekts wird unter anderem ein digitaler Zugang und somit eine leichtere dezentrale Benutzung dieser für die nationale und internationale Provenienzforschung bedeutenden Archivquelle ermöglicht.
Der Bund unterstützt auch internationale Kooperationen, wie den vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste im August 2019 organisierten deutsch-israelischen Fachdialog, der weitergeführt wird.
Stand: Freitag, 29. September 2023