Anlässlich des 13. Jahrestages der Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) am 4. November besuchten heute Kulturstaatsministerin Claudia Roth sowie die sächsische Demokratieministerin Katja Meier das in Chemnitz entstehende Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex. Vor Ort übergaben sie gemeinsam die Zuwendungsbescheide für das Vorhaben, das als Pilotprojekt für das vom Bund geplante Dokumentationszentrum zu den Verbrechen des NSU gilt. Bei dem Termin besichtigen sie außerdem die Räumlichkeiten des zukünftigen Dokumentationszentrums und informierten sich über die Einbindung der Betroffenen.
Vertreterinnen und Vertreter der für die Umsetzung des Pilotvorhabens verantwortlichen Initiative Offene Gesellschaft e.V., des RAA Sachsen e.V. und des ASA-FF e.V. übergaben anlässlich des Besuchs einen Bericht zum Abschluss der Vorbereitungsphase.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die Morde des NSU gehören zu den schlimmsten rassistischen Gewalttaten der jüngeren Zeitgeschichte Deutschlands. Die konsequente Aufarbeitung all der Dimensionen der NSU-Mordserie und das angemessene Erinnern an die Opfer, das auch die Perspektive der Betroffenen einbezieht, muss Teil der deutschen Erinnerungskultur sein. Das zukünftige Pilot-Dokumentationszentrum in Chemnitz wird hierfür einen zentralen Beitrag leisten. Für das vom Bund geplante NSU-Dokumentationszentrum haben die Erfahrungen und Erkenntnisse, die hier in Chemnitz im Rahmen des Pilotvorhabens gewonnen werden, eine große Bedeutung. Ich danke schon jetzt allen Projektbeteiligten für ihr großartiges, langjähriges Engagement, das über Chemnitz hinauswirkt.“
Demokratieministerin Katja Meier: „Wir sind froh über die Unterstützung des Bundes in der Weiterentwicklung des Standortes für ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex und wir sind uns der Verantwortung bewusst, die damit einhergeht. Auch Dank der unermüdlichen Vorarbeiten aus der Zivilgesellschaft und der Unterstützung seitens des Bundes sind wir in der Lage, hier in Chemnitz beispielhaft zu zeigen, wie wir uns für eine offene und vielfältige Gesellschaft einsetzen und welche Lehren wir aus dem NSU-Komplex und den rassistischen Mobilisierungen 2018 gezogen haben. Chemnitz ist auf einem sehr guten Weg, ein europäischer Lernort zum NSU-Komplex zu werden.“
Yvonne Zindel, Projektleiterin bei der Initiative Offene Gesellschaft e.V.: „Wir arbeiten als zivilgesellschaftliches Konsortium daran, einen Raum für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt in Sachsen und einen Begegnungsort für interessierte Menschen in der Stadt und der Region zu verwirklichen. Unsere Vision ist, aus der Verantwortung des Geschehenen eine Bereicherung für die Stadt zu werden. Die Übergabe des Fördermittelbescheids bedeutet für uns, dass wir nun mit der Ausgestaltung unserer Mietflächen starten können.”
Hintergrund
Zwischen den Jahren 2000 und 2007 wurden zehn Menschen vom sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund (NSU)“ aus rassistischen und rechtsextremistischen Motiven ermordet. Von 1998 bis zu ihrer Selbstenttarnung vor 13 Jahren konnte der NSU in Chemnitz und Zwickau mithilfe eines Netzwerkes an Unterstützerinnen und Unterstützern ein weitgehend unbehelligtes Leben im Untergrund führen. Dem Freistaat Sachsen kommt deshalb eine besondere Verantwortung in der kritischen Aufklärung und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex zu. Beide Städte bemühen sich vor diesem Hintergrund seit vielen Jahren um ein angemessenes Gedenken und eine in die Zukunft gerichtete Aufklärungs- und Bildungsarbeit zur Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex.
Das Pilotdokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Chemnitz ist als interaktives Zentrum konzipiert, das sich der politischen Bildung widmet, Wissen bewahrt und die Forschung fördert. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Zusammenarbeit mit Angehörigen und Betroffenen, die bereits aktiv in den Entwicklungsprozess einbezogen werden.
Das Pilotvorhaben basiert auf langjährigen Vorarbeiten der sächsischen Zivilgesellschaft und soll im Mai 2025 im Rahmen des europäischen Kulturhauptstadtjahres in Chemnitz eröffnet werden. Es soll als Labor für ein bundesweites Dokumentationszentrum dienen und später in das bundesweite Verbundsystem integriert werden. Im Bund wird aktuell ein Gesetz zur Gründung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung als Trägerstruktur vorbereitet. Der Bund und der Freistaat Sachsen unterstützen das Projekt mit jeweils zwei Millionen Euro.
Die Vorbereitungsphase des Chemnitzer Laborprojektes wurde Ende August dieses Jahres erfolgreich abgeschlossen, seit September läuft dessen Realisierung.
Weitere Informationen
Die sächsische Konzeptions- und Machbarkeitsstudie für ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex: https://www.nsudoku.de
Die Machbarkeitsstudie der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2024/bpb-machbarkeitsstudie-nsu.html
Verein RAA Sachsen e.V.: https://www.raa-sachsen.de
Verein ASA-FF e.V.: https://www.asa-ff.de
Verein Initiative Offene Gesellschaft e.V.: https://offenegesellschaft.org