Mehr als 70.000 Menschen wurden von den Nazis als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ verfolgt. Unter dem Titel „Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945 – heute“ erinnert eine neue Wanderausstellung an ihre Schicksale. Erst 2020 hatte der Deutsche Bundestag diese NS-Opfergruppe offiziell als solche anerkannt.
Es waren Menschen wie Anna Sölzer oder Wilhelm Zorichta, die in das unerbittliche Räderwerk der NS-Justiz gerieten. Sölzer wird zunächst als Prostituierte festgenommen und verwarnt, später verbüßt sie laut Akten der Kölner Kriminalpolizei eine Strafe wegen Diebstahls. 1942 ordnet die Kriminalpolizei Vorbeugungshaft an. Das bedeutet Einweisung in ein Konzentrationslager, in diesem Fall in das KZ Ravensbrück. Am 10. Januar 1945, kurz vor ihrem 26. Geburtstag, ist Sölzer tot.
Über Wilhelm Zorichta ist wenig bekannt. Er verbringt sein Leben in Einrichtungen und Lagern. Als er im Wanderhof in Herzogsmühle zweimal nicht auf der dortigen Arbeitsstelle erscheint, lässt ihn die Kriminalpolizei München im Frühjahr 1944 in das KZ Dachau bringen. Die Lagerverwaltung registriert ihn als „asozial“. Ein halbes Jahr später kommt Zorichta in ein Außenlager des KZs Flossenbürg. Sein Name auf einer Transportliste ist das letzte Lebenszeichen des Zweiundzwanzigjährigen.
Lange vergessene und verdrängte NS-Opfergruppe
Diese Einzelschicksale stehen beispielhaft für mehr als 70.000 Menschen, die von den Nazis als „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ verfolgt wurden. Unter ihnen waren Fürsorgeempfänger, Wohnsitzlose, Prostituierte und Suchtkranke. Auch Sinti und Roma, Jenische und andere gehörten zu den Opfern.
Deutscher Bundestag: „Niemand saß zu Recht in einem Konzentrationslager, auch die als ‚Asoziale’ und ‚Berufsverbrecher’ Verfolgten waren Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft”.
Dass ihnen auch nach der Zeit des Nationalsozialismus keine Gerechtigkeit widerfuhr, zeigt das Beispiel von Carl Schrade. Der wegen mehrerer Vermögensdelikte von den Nazis inhaftierte und als „Berufsverbrecher“ stigmatisierte Mann war elf Jahre lang Häftling in verschiedenen Konzentrationslagern. Nach seiner Freilassung blieben seine Bemühungen um Anerkennung als NS-Opfer erfolglos. Auch seinen Entschädigungsantrag lehnten die Behörden 1958 endgültig ab.
Offizielle Anerkennung erst 2020
„Auch wenn ein Verbrechen schon lange zurückliegt, ist es manchmal dennoch nicht vorbei“, erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth zur Eröffnung der Wanderausstellung „Die Verleugneten“, die diesen NS-Opfern gewidmet ist.
Roth wies damit auf die Tatsache hin, dass die Schicksale der Opfer auch Jahre und Jahrzehnte nach der NS-Gewaltherrschaft verdrängt und vergessen wurden. Gesellschaft und Politik der Nachkriegszeit erkannten das, was ihnen widerfahren war, nicht als Unrecht an. Den Betroffenen wurden Entschädigungsleistungen verweigert.
Erst 2020 forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, diese Opfergruppe stärker ins Bewusstsein zu rücken und ihr einen angemessenen Platz im staatlichen Erinnern zu verschaffen.
Wanderausstellung „Die Verleugneten“
Diesem Auftrag wird nun die neue Wanderausstellung „Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945 – heute“ gerecht. Erarbeitet wurde sie von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Schicksale und Erfahrungen der Opfer. Auch Forschungsfragen werden aufgegriffen. Gleichzeitig geht die Ausstellung der Frage nach, wie Menschen heute soziale Ungleichheit erleben und wie Normen das Zusammenleben beeinflussen. Dabei lädt sie Besucherinnen und Besucher dazu ein, eigene Einstellungen und Positionen zu hinterfragen.
Die Ausstellung Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945 – heute ist bis Ende Januar im B. Place, Cora-Berliner-Straße 2, 10117 Berlin zu sehen.
Ab März 2025 wird sie in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg gezeigt. Weitere Informationen unter www.die-verleugneten.de.
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